Fairness in Organisationen fördert wirtschaftlichen Erfolg
Organisationen sind essentiell für das Funktionieren moderner Gesellschaften. Aber sind sie auch Motoren der Gleichstellung? Oder im Gegenteil? Und was bringt es einem Unternehmen, Gleichstellung auf seine Fahnen zu schreiben?
Diesen Fragen widmete sich die Tagung „Frauen – Zukunft – Arbeitswelt“ des FrauenBerufsZentrums Osttirol am 28. Oktober 2021.
Immer noch sind in Österreich Rollenklischees äußerst wirksam. In der Arbeitswelt bedeutet das, dass Frauen und Männer zu einem hohen Prozentsatz in „typischen“ Berufen und Positionen arbeiten. Daraus folgt bekanntlich ein geschlechtsspezifischer Einkommensunterschied, der europaweit im Spitzenfeld liegt.
Organisationen tragen zur Erzeugung von Ungleichheit bei. Organisationale Praktiken führen zu spezifischer Arbeitsteilung, Einkommens- und Statusunterschieden. Verfestigte Vorstellungen über Frauen und Männer und ihre Kooperationsmuster prägen die alltägliche Arbeits- und Führungspraxis.
„Organisationen haben viele Möglichkeiten, zur Chancengleichheit beizutragen“, so Dr.in Heike Welte von der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften der Universität Innsbruck. Zentrale Gestaltungsfelder von Unternehmen ortet Welte, die seit vielen Jahren zu Gleichstellung in Organisationen forscht, in den Bereichen Arbeitszeitgestaltung, Zugang zu Führungspositionen, Erleichterung der Vereinbarkeit von beruflichen und privaten Verpflichtungen für Frauen und Männer und Erhöhung der Gleichstellungskompetenz von Führungskräften. Interessierte Firmen analysieren und verbessern u.a. Stellenausschreibungen, Arbeitszeitmodelle, Bewerbungsprozesse und Entwicklungsgespräche. Ein österreichisches Unternehmen der IT-Branche hat beispielsweise eine „ortsungebundene Vertrauensarbeitszeit“ eingeführt. Es gibt keine fixen Arbeitszeiten, sondern es wird mit den jeweiligen Vorgesetzten bzw. im Team vereinbart, wann die Arbeit zuhause, im Büro oder bei Kund*innen erledigt wird.
Kleine Maßnahmen können große Veränderungen bewirken, ohne die Kosten zu steigern. Angloamerikanische Studien zeigen, wie Diskriminierung bei der Personalauswahl vermieden werden kann: Werden die Bewerber*innen anonymisiert (Name abgekürzt, kein Foto) ausgewählt, so sind weder Rückschlüsse auf Herkunftsländer noch auf das Geschlecht möglich. Die Qualifikation steht im Vordergrund – Vorurteile werden ausgeschlossen.
Positive Beispiele in Österreich sind Organisationen, die Vereinbarkeitsmaßnahmen für Mütter und Väter setzen, z. B. durch systematisches Karenzmanagement, flexible Arbeitszeitmodelle und/oder Betriebskindergärten. „Auch Führung in Teilzeit findet bei Eltern immer mehr Anklang“, so Welte.
Dass aktive Schritte zur Förderung der betrieblichen Gleichstellung ein langwieriger und anspruchsvoller Prozess sind, wurde am Beispiel der Organisation „AMS“ diskutiert. Das AMS beschäftigt sich schon seit den 1980er Jahren mit Gleichstellungsmaßnahmen. Überzeugungsarbeit, strukturelle Änderungen und Engagement von Seiten der Führungskräfte haben zum Erfolg beigetragen: „Mittlerweile sind mehr als 50% der Führungskräfte im AMS weiblich“, so Sabine Platzer-Werlberger, stellvertretende Landesgeschäftsführerin des AMS Tirol.
Aus dem Publikum wurde insbesondere eine Neubewertung von Arbeit angeregt „Warum wird die für alle Menschen lebensnotwendige Pflege- und Betreuungsarbeit immer noch weniger geschätzt und geringer dotiert als andere Branchen?“ Die Teilnehmenden waren sich einig: Gleichstellungsorientierte Unternehmen werden die Zukunft erfolgreicher meistern. Denn sie können auf höhere Motivation und Betriebsbindung der Mitarbeiter*innen zählen. Der Fachkräftemangel könnte als Motor für innovative Ansätze wirken.